Expressionismus
in meinen Augen kann man die Stilrichtung des Expressionismus nicht verstehen, wenn die historischen Wurzeln seiner Entwicklung aus der Epoche des Impressionismus nicht bekannt sind (vergl. hierzu meine Ausführungen unter dem Menüpunkt Impressionismus):
Mit der Stilrichtung des Impressionismus in der Malerei war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Frankreich bereits ein revolutionärer Bruch mit den althergebrachten akademischen Malweisen vollzogen worden: Die Impressionisten versuchten damals, die Umwelt bis an die Grenzen der darstellbaren Realität naturnah wiederzugeben.
Am Ende dieser Epoche sind in einer Übergangsphase bei den sog. „Fauves” (übersetzt „Wilde”), zu denen neben Paul Gauguin und Edward Munch auch Vincent van Gogh zu zählen sind, bereits Übergänge zu einer expressionistischen (d.h. ausdrucksstarken) Malweise zu erkennen:
Beispiele:
Edward Munchs berühmtes Werk „ Der Schrei” um 1900 bis 1905, eigentlich 4 gleiche Bilder, die sich nur unwesentlich unterscheiden – aggressive Farben, irreale Formen, bedrückende Atmosphäre – gilt als eines der ersten und berühmtesten Werke des Expressionismus.
Vincent van Gogh, „Kornfeld mit Krähen” 1890, entstanden kurz vor seinem Suizid – dunkles Schwarz am Himmel und in den Krähen, zerrissene perspektivlose Wege in die Felder, – hektischer, impulsiver Pinselstrich – allesamt als Ausdruck der Verzweiflung.
Der Expressionismus als Stilrichtung in der Kunst, aber auch in der Literatur und Musik leitet sich von dem lateinischen Wort „expressio” (übersetzt „Ausdruck”) ab und kann plakativ als „Kunst des gesteigerten Ausdrucks” verstanden werden.
Zeitlich kann die Epoche des Expressionismus in ihrer stärksten Ausprägung lokalisiert werden um die Jahrhundertwende von 1900 bis zum ersten Weltkrieg 1914, und örtlich, vorwiegend in Deutschland. Es ist im Nachhinein besonders tragisch, dass dieser enorme Kulturschatz und Kunst- Potential Deutschlands durch den Tod zahlreicher junger Protagonisten des Expressionismus wie z.B. Franz Marc, August Macke und anderer im 1. Weltkrieg und danach durch die Brandmarkung als „Entartete Kunst” mit den Bilderverbrennungen der Nationalsozialisten ein jähes Ende finden musste.
Den Künstlern des Expressionismus ging es im Gegensatz zum Impressionismus um die bildnerische Übermittlung von ihren Gefühlen, Emotionen, Ängsten und Seelenzuständen, die sie beim Ansehen und Malen eines Objektes empfunden hatten, an den Betrachter des Bildes. Auch bei diesem sollten dann beim Betrachten des Bildes die unterschiedlichsten Emotionen hervorgerufen werden.
Die wirklichkeitsgetreue Weitergabe von Eindrücken, Farben, Formen oder Tageszeiten war jetzt nicht mehr wichtig, sondern jetzt wurde durch die Expressionisten versucht, die irreale Welt der Phantasie, des Unbewussten, der Träume und Ängste auf die Leinwand zu bannen und in den Bildern widerzuspiegeln.
Typische Merkmale des Expressionismus sind:
- ein freier impulsiver Umgang mit den Farben und Formen an sich, – die Farbe wird häufig ungemischt als reine Farbe aus der Tube auf die Leinwand gebracht, – die Pinselführung ist sehr impulsiv und schnell
- die Gesetze der Perspektive werden außer Acht gelassen und sind nicht mehr wichtig
- Reduzierung der gemalten Motive auf markante, z.T. geometrische Formelemente, Personen und Figuren werden häufig dunkel umrandet
- Alltagsobjekte und die Umwelt bekommen andere Formen und Farben als gewohnt
Als maßgebliche Protagonisten dieser neuen, vom offiziellen Kunstbetrieb wenig geachteten Stilrichtung sind vorrangig zwei Künstlergruppen im Deutschland des Kaiserreiches hervorzuheben:
in Berlin die Künstlervereinigung „die Brücke ” (1905) mit Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Müller, Max Pechstein und kurzzeitig auch Emil Nolde.
in Süddeutschland „der Blaue Reiter ” (1911) mit Wassily Kandinsky, Franz Marc, August Macke, Gabriele Münter, Alexej von Werefkin, Paul Klee.
auch zu erwähnen ist der Rheinische Expressionismus, der – initiiert von August Macke – in der berühmten Sonderbund-Ausstellung 1912 in Bonn seinen Niederschlag fand (Mitglieder u.a. August Macke, Heinrich Campendonk, Walter Ophey u.v.m.)
Die Grundidee der expressionistischen Malweise hat aber m.E. auch heute im 21.Jahrhundert nichts an Aktualität verloren:
Die hochtechnisierte Photographie hat heute die impressionistische Darstellung der Umwelt in ihrer Spontaneität, Farbigkeit und punktuellen realen Ausprägung längst überholt und ist dort dominierend.
Wenn ich aber als Künstler Emotionen und Stimmungslagen im Angesicht meiner realen Umwelt bildnerisch transportieren möchte, ist meiner Ansicht nach neben anderem die expressionistische Malweise weiterhin ein wichtiges Stilmittel und Instrument.